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Nix wird gesichert: Werbesprache, die uns nervt

“Jetzt Tickets sichern!” – “Sichern Sie sich die neueste Ausgabe!” – “Infos sichern und mitmachen!” So schreit es uns seit gut fünf Jahren aus der TV-, Print- und Radiowerbung entgegen. Sichern? Warum sichern? Ist denn etwas unsicher geworden?

Das Verb “sichern” beschreibt eine Tätigkeit, die zumeist von Polizei, Militär, Katastrophenschutz und ähnlichen für die Sicherheit zuständigen Organen wahrgenommen wird. Ein Gelände oder Gebäude sichern bedeutet, dort solche Bedingungen herzustellen, die eine gefahrlose Nutzung durch Menschen oder eine bestimmte Personengruppe ermöglichen. Und “sichern” bedeutet auch, etwas oder jemanden zu schützen und den Zugriff durch Dritte zu unterbinden.

“Sich etwas sichern” impliziert, einen Gegenstand in den eigenen Besitz zu bringen und damit anderen zu entziehen. Wenn mich der Anbieter eines Produkts dazu auffordert, mir sein Produkt zu “sichern”, dann appelliert er zugleich an die niedersten Instinkte in mir. Er gaukelt mir nicht nur vor, das Produkt sei in begrenzter Menge vorhanden. Nein. Ich soll es vielmehr schnell in meinen Besitz bringen, um es vor dem Zugriff durch andere zu schützen.

Der Werber, der mir diese Aufforderung zuruft, will damit meine Habsucht schüren. Er will mein Konkurrenzbewusstsein anstacheln, meine Machtgier – denn was ich mir sichere, können andere nicht mehr haben. Ätsch!

Mir wird schlecht. Solche Appelle an die niederen Instinkte sagen mehr über die Geisteshaltung des Werbetexters und seiner Agentur aus als über die Anbieter der so beworbenen Produkte. Man muss sich fragen, was die Werber von heute eigentlich so treibt? Denn wer so offensichtlich die menschliche Gier zu schüren sucht, muss selbst von ihr besessen sein – oder aber ein Menschenbild besitzen, das die Konsumenten für dümmer, berechenbarer und unzivilisierter hält als die Sozialpsychologie erlaubt.

Es bleibt zu fürchten, dass der inflationäre Gebrauch des “Sicherungsgedankens”, wie er heutzutage in der deutschsprachigen Werbung zu verzeichnen ist, letztendlich Spuren in der Alltagskultur hinterlassen wird. Mir graut es vor dem Tag, an dem der Teenagersohn der Nachbarin stolz und mit breitem Grinsen verkündet: “Das Ding hab’ ich mir gesichert.” So wird nach dem geilen Geiz auch die unverhohlene Gier mit der Zeit gesellschaftsfähig. Aber wollen wir Deutschen heute wirklich noch in einer Gesellschaft der Gierigen und Machtgeilen leben?

Als Akteure in der Werbebranche, die in und mit der Öffentlichkeit kommunizieren, haben wir eine Verantwortung. Nicht nur gegenüber unseren Auftraggebern, sondern auch gegenüber der Gesellschaft. Wir sind gesetzlich zur Wahrheit verpflichtet, und wir haben uns ethische Regeln auferlegt. Doch auch, wenn wir uns sicher innerhalb der Grenzen dieser Richtlinien bewegen, sollten wir unser Hirn eingeschaltet lassen und gut überlegen, welche Werte wir mit unseren neuesten Werbesprüchen kolportieren. Gier jedenfalls kommt von Angst, nicht von Liebe.

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